18. November 2020
Gurkentruppe
So kann ich mir einen Fußball-Abend auch verderben lassen. Danke dafür, liebe Nationalelf. Gurkentruppe. Die Schuld am Nullzusechs-Debakel von Sevilla trifft freilich unseren Bundes-Yogi. Wie kann er gegen Spanien denn allen Ernstes 3, in Worten drei! Stürmer antreten lassen? 1,75 Meter-Mann Gnabry im Kopfballduell ein Kopf zu klein, der wendige Werner an der eigenen Eckfahne im Kampf um den Ball verstrickt, ein irrlichtender Virtuose Sané vorn allein, weil ein blasses Mittelfeld mit Kroos, Gündogan und Neuling Koch nicht lieferte. Die Elf so etwas von lustlos und verschlafen. Ein Foul, das wehtat. Reiner Trabold
16. November
Klein ganz groß
Vor zwölf Jahren war Christine Klein (65) bei der Bürgermeisterwahl in Bensheim gegen Amtsinhaber Thorsten Hermann (CDU) gescheitert. 2013 verlor sie auch in Zwingenberg gegen Holger Habich. Das alles hat sie nicht entmutigt. Damals trat sie noch für die SPD an. Jetzt siegte sie ohne und sogar gegen die Partei, von der sie als Sozialdemokratin nur das kräftige Rot im Wahlkampf trug. 52,77 Prozent gegen dem amtierenden Bürgermeister Rolf Richter (CDU), das ist mehr als ein Achtungserfolg und zeigt, dass sich Frauen-Power durchsetzen kann. Die Stichwahl hat aber auch das bestätigt, was sich schon zwei Wochen vorher abzeichnete. Eine niedrige Beteiligung und ein Rathauschef mit sicherlich großer Qualifikation, aber mit Schwächen im Abschluss – und ohne seine CDU im Rücken. Die Christdemokraten haben, das wurde schon längst deutlich, in Bensheim nicht mehr die Stärke früherer Jahre. Christine Klein hat einen Klimawechsel für eine über 80 Jahre konservativ regierte Stadt versprochen. Der war überfällig. Veränderung tut Not, verkrustete Strukturen müssen gelockert und endlich aufgebrochen werden. Das ist entscheidend für die Neue im Rathaus. Von der Mehrheit gewählt worden zu sein ist das eine, politisch Mehrheiten für Ziele, Projekte, Aufgaben zu finden das andere. Klein ist eine dynamische und in der Zusammenarbeit mit anderen erfahrene Kommunalpolitikerin. Es wird ihr gelingen, die Sache in den Mittelpunkt zu stellen. Dass sie es im Alleingang geschafft hat, ist nicht nur für Bensheim außergewöhnlich. Doch wie erklärt sich Rolf Richters Niederlage? Ob ihm die unberechtigten Anwürfe in jüngster Zeit geschadet haben? Wahrscheinlich muss es das Wahlergebnis mit erklären helfen. Tatsächlich aber hat Richter es nicht verstanden, seine Anhängerschaft zu mobilisieren. Die mangelnde Beteiligung an beiden Abstimmungen ist Bensheim nicht würdig, aber sie hat etwas Gutes bewirkt: Eine starke Frau an der Spitze der Verwaltung. Reiner Trabold
7. November 2020
Schlechter Verlierer
„Covid, Covid, Covid.“ Nach dem 4. November werde keiner mehr über die Seuche reden, hatte Donald Trump im Wahlkampf gehöhnt. Und er sollte recht behalten. Denn jetzt spricht alle Welt empört darüber, dass sich der 45. US-Präsident als schlechter Verlierer zeigt. Nicht nur dass er sich schon zum Wahlsieger erklärt hat, als noch längst nicht alle Stimmzettel ausgezählt waren, er hat auch noch gefordert, die Auszählung in dem Moment zu beenden, als er noch wie der sichere Sieger aussah. Dann aber sah er seine Felle davonschwimmen, zeigte sich als schlechter Verlierer. Was sich in den USA abspielt, ist ein Beispiel dafür, wie machtversessene Autokraten und Populisten die Demokratie zu unterlaufen und zerstören versuchen. Keiner hatte von einem Trump etwas anderes erwartet. Schlimm ist, wie seine Fangemeinde reagiert, wie ihm Millionen (viele bis an die Zähle bewaffnet) fanatisiert Treue schwören und ihn wie einen Messias feiern – und nicht wahrhaben wollen, dass Trumps Auftritt nur noch unanständig und peinlich ist. Übrigens: Dass die Auszählung so aufwendig ist und lange dauert, hat unmittelbar mit dem Präsidenten und seinem miserablen Covid-Management zu tun. Abermillionen Wähler sind dem Virus aus dem Weg gegangen und haben am Briefkasten gevotet. Reiner Trabold
2. November 2020
Schluss jetzt!
Die vergangenen vier Jahre haben in den USA gezeigt, wie schnell eine Demokratie vor die Hunde gehen kann. Donald Trumps „America first“ hat einen kolossalen Schaden angerichtet. Für die Amerikaner, für das Amt des Präsidenten, für die Welt. An der Spitze der großen Mächte auf dieser Erde, die Vereinigten Staaten, Russland, China, auch England und Brasilien stehen Männer, die verführen, betrügen und ihre Macht missbrauchen. Es wird einem mulmig. Die Amerikaner haben an diesem Dienstag Gelegenheit, Trump abzuschütteln. Ob er selbst dann, wenn er die Wahl verliert, weicht, ist freilich nicht sicher. Es gibt berechtigte Zweifel, dass er ein für ihn negatives Votum akzeptiert. Wohin hat Entertainer Trump das stolze Amerika geführt? Es ist so gespalten, dass es bei seiner Wiederwahl endgültigen zerbräche und seine Rolle als Weltmacht ernsthaft in Gefahr geriete. Das Versprechen vom „Great again“ ist auch am miserablen Management der Covid-Pandemie zerbrochen. Um diese große Nation wieder groß zu machen, muss die auseinandergetriebene Herde wieder zusammengeführt werden. Darin sind die Cowboys bekanntlich Meister. Es brauchte einer Leitfigur wie Franklin D. Roosevelt, der in den 30ern der Krise einen „New Deal“ entgegensetzte. Der Demokrat einte das Land durch soziale Reformen. Demokrat Joe Biden ist zwar kein FDR, aber er müsste sich daran machen, die bis an die Zähne bewaffneten und verfeindeten Amerikaner zu versöhnen. Ein Auftrag, den der betagte Biden nicht mehr schaffen wird. Vielleicht gelingt es der deutlich jüngeren Kamala Harris an seiner Seite – vorausgesetzt, die beiden beenden Trumps Trauerspiel im Weißen Haus. Schluss jetzt. Reiner Trabold
1. November 2020
Albtraum
I had a dream. Es wiederholt sich 2020, was schon vor vier Jahre geschah. Donald Trump gewinnt die Präsidentschaftswahl am Dienstag entgegen aller Trends und Vorhersagen. A nightmare. Weniger für mich persönlich. Denn die Vereinigten Staaten sind weit genug entfernt. Aber die Menschheit schaut gebannt und fragt sich, ob die Amerikaner diesen gnadenlos machthungrigen und skrupellosen, ja verlogenen Populisten tatsächlich wiederwählen. Die Außenansicht der Supermacht ist freilich eine andere als die von innen. Beobachter können es kaum einer fassen, mit welch fanatischer Inbrunst Trumps Anhänger ihren Präsidenten als Erlöser feiern. Trump, mit dem Versprechen angetreten, Amerika wieder groß zu machen, hat nicht nur in den USA alles auf den Kopf gestellt und Gräben, ach was, tiefe Canyons aufgerissen, hat Schwarz gegen Weiß, Arm gegen Reich aufgebracht. Er hat die Welt an allen Ecken und Enden aufgemischt, hat die Chinesen in die Schranken verwiesen und sie sich zum Feind gemacht, ist dem russischen Machthaber Putin ebenso in die Parade gefahren wie dem dicken jongen Un, bietet auch Europa, allen voran den Deutschen, die Stirn, hat seine Bündnispartner in der Nato mächtig irritiert, findet indessen im englischen Premier Boris einen Gleichgesinnten. Der‘s übrigens auch nicht so mit der Wahrheit hält. Und so geht denn am Wahl-Dienstag der ewig twitternde Erfinder der Fakenews in den Zweikampf mit dem allzu braven Joe. Ich bete, dass die Reprise nur ein Albtraum war. Reiner Trabold
Merkwürdig
Da stellte sich dieser Fritze Merz hin und zieht über das „Establishment“ in seiner eigenen Partei her. Es versuche, ihn als CDU-Vorsitzenden zu verhindern. Der Bundesparteitag im Dezember werde deshalb wieder und ins neue Jahr verschoben, weil es für ihn eine Mehrheit abzeichne. Starker Tobak. Ich bin kein Fan von Armin Laschet, aber sympathischer als Heilsbringer Merz wäre er mir allemal. Er hat sich mit seinem Statement eigentlich disqualifiziert. Das ist aber nicht der Punkt. Mich wundert, dass diese unter der Gürtellinie übers Personal streitende und zerstrittene Christunion bei einer Bundestagswahl am nächsten Sonntag in Meinungsumfragen weit voraus liegt. Kann es sein, dass Kanzlerin Angela Merkel der Grund dafür ist? Oder ist es der Hoffnungsträger der Union? Sonnenkönig Markus Söder, die politische Covid-Stimme der Nation, wird zwar Bayer bleiben, würde aber – dazu gedrängt - in Berlin sicher das Zepter in die Hand nehmen wollen. Auch Söders Plus ist womöglich verantwortlich dafür, dass die Union bei Umfragen immer noch stabil vorn liegt. Regiert wird das Land in diesen irren Zeiten inhaltlich allerdings maßgeblich von denen, die als Koalitionspartner in der Versenkung zu verschwinden drohen. Merkwürdig findet das Reiner Trabold